Lisa Eckharts „BOUM“. Hochliteratur unter der Gürtellinie

Zwei Jahre nach „Omama“ legte Lisa Eckhart (MJ 2009) im August 2022 ihren zweiten Bestseller vor: „Boum“. Darin schickt sie ihre Heldin, die mangels Sprachkenntnissen auf ihre Sexualität beschränkte Aloisia, auf eine wilde Parforcejagd durch Paris. Mit Aloisia hat sich Eckhart neben ihren Auftritten als Sexvamp ein weiteres Alter Ego geschaffen, das weitgehend das Gegenteil ihrer selbst ist, auch wenn sie es mit vielen autobiogra-phischen Elementen anreichert. Letzteres geht so weit, dass im Roman ein Notizbuch Aloisias mit dem Entwurf des Romans auftaucht.

Während ganz Frankreich wegen eines Serienmörders in Aufregung ist, fährt Aloisia nach der Matura zu ihrem Freund Romain nach Paris. Ihre Beziehung beschränkt sich auf das Bett; alle Sprechversuche auch mit anderen Personen enden stets mit der Gegenfrage Tu dis quoi? (Was sagst du?). Die Figur der Aloisia hält die zwei großen Erzählstränge, die zahllosen Nebenhandlungen, Exkurse und satirischen Milieuschilderungen zusammen. 

Nachdem sie Romain verlassen hat, landet sie im Bettler- und Gaunermilieu des Cour des Miracles aus Victor Hugos Roman „Notre Dame de Paris“. Sie wird die Begleiterin des Bettlerkönigs, dieser führt sie zum Casting in eine Modelagentur, sie erlebt den bizarren Überfall der Bettler auf eine Nobeltierhandlung. Auf dem Pariser Salon de l’Automobile taucht sie aus dem Kofferraum eines deutschen Kleinwagens auf, wird Edelkokotte und enthüllt zuguter-letzt in einem banalen Showdown die Identität des Serienmörders, den der Kommissar und der Terrorspezialist Boum vergeblich gejagt haben: Monsieur le Maire (Bürgermeister) entpuppt sich als Monsieur le Maestro Massacreur (Meistermörder).

Zusammen mit der grell überzeichnenden Satire, vor der nichts und niemand verschont bleibt, ist Eckharts große Stärke das Spiel mit der Sprache, auch wenn viele der unzähligen Wortspielereien wenig mit der Erzählhandlung zu tun haben, sie vielmehr in Sackgassen ausfransen lassen. Beispielhaft dafür sind schon die Namen. Die beiden Helfer des Kommissars heißen Laconique (lakonisch) und Lacan-Nique (Lacan bumst, womit wir klanglich beim Titel gebenden Terrorspezialisten Boum sind). Der Bettlerkönig heißt Charlemoindre (Karl der Kleinste) als Gegenbild zu Charlemagne (Karl der Große). Ob Aloisia als „Lisa + a, o, i“ gedacht ist, sei dahingestellt. 

Wer Eckharts Provo-kationen sowie ihren erzählerischen und sprachlichen Einfalls-reichtum schätzt, ist mit Eckharts Roman sehr gut bedient. Wer es gern geradlinig und logisch hat, wird sich bei der Lektüre sehr schwer tun.

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